Das letzte “Bis dann”
Als Kinder sind wir bei jeder Gelegenheit draußen gewesen. Als Stadtkinder meist in den Hinterhöfen oder auf der Straße im Viertel. Alle möglichen Kinder waren in der Zeit nach der Schule bis zum Abendessen da. Mal hatte jemand ein cooles Spielzeug oder etwas anderes Spannendes dabei, mit dem wir uns beschäftigten oder wir sind so herumgezogen. Es kamen neue Kinder dazu und manche blieben irgendwann einfach weg. Man sah sich vielleicht wochenlang nicht und dann tauchten sie wieder auf und man machte einfach da weiter, wo man aufgehört hatte, als wäre keine Zeit verstrichen. Und irgendwann sah man sich nie wieder.
Wie nennt man den Moment, an dem man sich das letzte Mal verabschiedet, "bis dann" sagt, ohne zu wissen, dass es das letzte Mal war? Wie es zum Beispiel Namen gibt für den Geruch des Regens auf trockener Erde (Petrichor).
Diese Unbeschwertheit und die flüchtigen aber intensiven Begegnungen, die wir als Kinder oder in der Jugend erleben, finden oft eine Parallele in der Welt der Portraitfotografie. Die Fotografie fängt Momente ein, die so vergänglich sind wie jene unserer Nachmittage in den Hinterhöfen. Jeder Klick des Auslösers ist wie ein unbewusster Versuch dieses "bis dann" ein Stück weit aufzuschieben, diesen flüchtigen Moment für immer festzuhalten. Doch genauso wie in der Kindheit, weiß man einfach nicht, ob dies vielleicht das letzte Mal ist, dass man diese Person sieht. Egal ob durch die Linse oder überhaupt.
In der Portraitfotografie gibt es für mich diese undefinierte Art der Verabschiedung oft; eigentlich ist es sogar der Regelfall. Doch irgendwie will man es nicht so wirklich wahrhaben und hofft in sich drin auf ein nächstes Mal. Aber es kommt meist nicht oder auch wenn man sich doch wieder sieht, kommt der Augenblick der endgültigen Verabschiedung ohne es zu wissen doch unweigerlich irgendwann. Dieses ständige Streben nach dem Festhalten von Vergänglichkeit macht die Portraitfotografie zu einer besonderen Kunstform. Jedes Shooting erzählt eine Geschichte, hält eine Begegnung fest, die nie wieder genauso sein wird.
Für einen Bruchteil einer Sekunde spüre ich diese Kindheitsbegegnungen– intensiv und kurzlebig als Erinnerung in dem Zeitpunkt an dem ich die Bilder aus vergangenen Shootings öffne und alles ist plötzlich wieder da.
Es gibt für mich eine gewisse Melancholie in der Portraitfotografie, die aus der Sehnsucht nach dem Unwiederbringlichen entsteht und sie lehrt uns, die Vergänglichkeit zu akzeptieren und die Schönheit in den flüchtigen Momenten zu sehen.
Jedes Portrait ist ein "bis dann" ohne die Garantie eines Wiedersehens und diese Unsicherheit macht sie so wertvoll.